Die Sinnespflege

Wir verwenden zum Arbeiten, für die Ausstattung und als Spielzeug (fast) ausschließlich Naturmaterialien.

Dadurch werden schon der Sehsinn (schöne, lebendige Oberflächen), der Tastsinn (weich - hart, uneben - glatt), der Gleichgewichtssinn (schwer - leicht, schräge Flächen, Stelzen und das Klettern im Garten) und der Geruchssinn (Duft von Hölzern oder Tee, Düfte beim Kochen oder Backen) angesprochen.

Der Hörsinn wird durch Lieder und Sprüche und durch geringe Lautstärke gefördert. Der Bewegungssinn wird gefördert durch Fingerspiele, Reigen und die Möglichkeit, im Freispiel drinnen und draußen auf vielfältigste Weise aktiv zu sein.



Der Jahreslauf 

Der Rhythmus ist für die Kinder ein wichtiges Element in ihrem Leben. Er gibt ihnen Sicherheit und Vertrauen. So wie auf den Tag die Nacht folgt, wie auf das Spiel im Kindergarten das Aufräumen folgt, so folgt auf den Maltag der Waldtag und auf den Herbst der Winter. Im festen und Sicherheit gebenden Rahmen, den uns das Jahr durch die Jahreszeiten und die Jahresfeste gibt, haben die Kinder die Möglichkeit, sich frei zu bewegen und zu entwickeln.

Im Waldorfkindergarten werden die Jahreszeiten und die christlichen Jahresfeste erlebt, z. B. durch die Gestaltung des Jahreszeitentisches. Hier ermöglichen wir das Erleben der Natur im Raum. So findet man im Frühling helle grüne Farben vor, das Ostergras wächst und bald hüpfen auch die ersten Häschen herbei. In der Adventzeit hingegen kann man hier Maria und Josef auf ihrem Weg zum Stall begleiten.

Aber auch im Reigen, im rhythmisch gestalteten Teil des Tages, begleiten wir in Liedern und Sprüchen das Jahr. So geht zur Erntezeit der Bauer aufs Feld, mäht sein Getreide und bringt es nach dem Dreschen zum Müller. Der mahlt es in der großen Mühle und der Bäcker backt aus dem gewonnenen Mehl ein feines Erntebrot.

 

Immer wiederkehrende Rhythmen, wie Lieder, Geschichten aber auch Festtagsessen sind "Rituale" und lassen das Kind sich schon im Vorfeld auf das nächste Fest freuen. Denn mit der Vorbereitung auf ein Fest wächst auch die Vorfreude, die sich dann im Höhepunkt, dem Erleben der Feier, entlädt. Dann klingt das eine Fest aus und die Vorbereitung aufs nächste kann beginnen.

In der zeitlichen Ordnung des Jahres leben wir also im Waldorfkindergarten von einem Fest zum nächsten. Und durch das intensive Begleiten unserer Tätigkeiten erleben wir, dass Traditionen entstehen, an denen die Kinder selbst entdecken können, was als nächstes kommt. So wird, wenn die Tage kürzer werden und die Nächte länger, bald das Material auf den Arbeitstisch kommen, das wir zum Basteln unserer Laternen brauchen. Im Reigen werden Lieder ertönen, die die Kinder aus dem letzten Jahr kennen, z. B. "Laterne, Laterne, leuchtet wie die Sterne...". Und auf dem Jahreszeitentisch kommen unsere kleinen Helfer, die Zwerge, aus ihren Verstecken und leuchten uns mit ihren kleinen Laternen dem Laternenfest entgegen. Sind alle Laternen gebastelt, findet unser Laternenfest statt. Dann treffen wir uns, ausnahmsweise im Dunkeln, am nahegelegenen Falkenhagener See mit den Eltern und Kindern und leuchten mit unseren Laternen in die Nacht. Am Ende teilt jeder von uns noch den Martinswecken mit einem Freund, so wie St. Martin im Lied seinen Mantel mit dem Bettler.

 

So kommen die christlichen Impulse der Feste hinzu. In der Advent- und Dreikönigszeit z. B. freuen sich die Kinder immer besonders auf den Reigen, in dem zu dieser Zeit das Weihnachts- bzw. Dreikönigsspiel seinen Platz hat. Jedes Kind darf einmal die Maria, der Josef, ein Hirte oder eines der Schäfchen sein. Auch die Weihnachtsengel kommen hinzu und einer darf den Weihnachtsstern halten, damit die Hirten den Weg zum Stall finden.

Das Erleben der Jahreszeiten haben wir natürlich zusätzlich ganz intensiv in der Gartenzeit und an unserem Waldtag.

Hier werden Schnecken, Käfer, Würmer, Raupen und Ameisen entdeckt und beobachtet. Schnee, Regen, Wind und die heiße Sonne im Sommer zeigen uns das Spiel des Wetters und dass es eigentlich nur falsche Kleidung, kein falsches Wetter gibt. Im Spiel mit den Elementen erleben wir uns jeden Tag neu.

So hat das Jahr seine verschiedenen Zeiten und Feste und gibt uns dadurch die Sicherheit und das Vertrauen zu wissen, was kommt und was war.


Der Wochenlauf

Alle Kinder (und Eltern) wissen:

• montags ist "Ankommtag"

• dienstags ist Waldtag,

• mittwochs ist Aquarellieren,

• donnerstags ist Maltag bzw. Backtag und Musikunterricht für die Vorschulkinder

• freitags ist Eurythmie

 

Sowohl der Tageslauf als auch der Wochenlauf sind stark auf das Prinzip Vorbild und Nachahmung gestützt: die Erzieherin lebt vor und die Kinder machen nach. Das bedeutet, dass die Kinder nur Dinge erleben oder sehen sollten, die sie nachmachen sollten oder dürfen, denn die Kinder lernen (fast) alles durch Nachahmung - auch Falsches. Es bedeutet auch, dass die Erzieherinnen immer an sich selbst arbeiten müssen, um schlechte Angewohnheiten abzulegen und möglichst nur schöne und gute Dinge in einer frohen Stimmung und positiven Einstellung vorzumachen. Aber man kann sich natürlich auch für Falsches entschuldigen - auch das ist dann wieder ein gutes Vorbild.


Der Tageabslauf

Zwischen 7.00 und 8.30 Uhr werden die Kinder begrüßt und können schon etwas spielen oder den Erwachsenen bei kleinen Reparaturen, der Vorbereitung des Frühstücks oder der "Tagesaufgabe" der Erzieherin helfen.

Um 8.30 Uhr gibt es Frühstück, das teils von den Kindern mitgebracht, teils im Kindergarten zubereitet wird; wir beginnen und beenden es mit kleinen Versen oder Liedern.

Nach dem Frühstück kommen noch einige Kinder hinzu und alle gehen zum Freispiel: jeder sucht oder baut sich ein "Haus", "Boot", "Zug", "Malerwerkstatt", "Schmiede", "Auto", "Flugzeug", in denen die verschiedensten Spiele stattfinden und die sich bei Bedarf, bei neuen Ideen, verwandeln können.

Für das Freispiel ist die vorbildgebende Tätigkeit der Erwachsenen wichtig: Jeder hat seine Aufgaben, um das Kindergartenleben zu bereichern, da gibt es das Vor- und Nachbereiten von Festen, Herstellen von Spielmaterial und Puppen zum Geschichtenbauen, Holzklötze sägen und schleifen, Puppengeschirr schnitzen oder töpfern, Bänder häkeln, oder im Wochenlauf z. B. Aquarellieren.

Durch dieses sinnvolle Arbeiten in einer fröhlichen und heiteren Atmosphäre bekommen die Kinder Anregungen für ihr Spiel,entweder indem sie mithelfen und es dann nachahmen oder indem sie die "Abfälle" holen und in ihr Spiel einbauen (Sägespäne z. B. als "Essen" oder "Futter für die Tiere" oder als "Schnee", Filzreste werden zu Schmetterlingen oder Fischen).

Für die Kinder ist das Spiel die tägliche Arbeit. Sie lernen fürs Leben: ihre Glieder zu gebrauchen, Dinge zuzuordnen, physikalische Gesetze, Zusammenhänge erkennen (z. B. beim Spülen: "das Glas ist ja wasserdicht" bemerkt ein Fünfjähriger erstaunt, als das Glas auf dem Wasser schwimmt, obwohl wir seit zwei Jahren jeden Tag Tee aus diesen Gläsern tranken), Körperbeherrschung, positive Einstellung zur Arbeit und ganz wichtig: soziales Miteinander (Rücksichtnahme, Abwarten können, Verzicht, sich entschuldigen, aber auch sich durchsetzen für ein schüchternes Kind).

Dieses Freispiel wird immer wichtiger, weil die Fremdbestimmung der Kinder immer mehr um sich greift: Ablauf im Kindergarten, Zwänge im Elternhaus und dann oft noch Termine am Nachmittag wie Schwimmen, Turnen, Musikschule, Tanzen, Basteln.

Viele Kinder haben heute einen Terminplan wie Erwachsene und können kaum noch die Eindrücke, die ihnen angeboten werden, verarbeiten, weil dafür die freie Zeit oder Pausen (Ferien) fehlen, um spielerisch mit den erfahrenen Dingen umzugehen und sie so zu verinnerlichen bzw. sich zu eigen zu machen. Das führt oft zu Unruhe und evtl. auch zu unruhigem Schlaf oder es lässt sie gar nicht erst zur Ruhe kommen bzw. einschlafen. Darum achten wir ganz bewußt darauf, dass sich die Zeiten des Bewegens und zur Ruhe kommen wie beim gesunden Atmen abwechseln.

Gegen 10.00 Uhr räumen wir alle zusammen auf. Jedes Kind hilft seinem Alter entsprechend: die Großen eine bestimmte Aufgabe bis zum Schluss durchzuhalten, die Kleinen einzelne Dinge an ihren Platz zu tragen.

Nach einem Toilettengang, einem kleinen Fingerspiel und einigen Liedern machen wir alle zusammen den Reigen, in dem die Erzieherin aus Liedern und Sprüchen der Jahreszeit entsprechend eine kleine Geschichte zusammengestellt hat. Er wird im Kreis gehend oder laufend gemacht und mit Gesten begleitet. Die Kinder machen einfach mit (Nachahmung) und lernen so geführte Bewegungen. Der Reigen wiederholt sich über drei bis vier Wochen täglich zur Vertiefung.

Nach dem Reigen gehen wir täglich in den Garten, um die Sinne nochmals anders zu schulen, Wind und Wetter zu spüren und damit die Kinder einmal richtig durchatmen und sich auslaufen können. Nach einer 3/4 bis einer Stunde räumen wir auch hier auf und gehen alle zur Geschichte, die für die ersten Kinder den Abschluss bildet (12.15 Uhr).

Die Geschichte ist oft eine kleine rhythmische Erzählung, sie passt möglichst zur Jahreszeit und wird ebenso wie der Reigen drei bis vier Wochen lang erzählt.

Alles dies wird mit bestimmten Liedern und Sprüchen begleitet, die den Kindern vertraut sind und zeigen was kommt, so dass sie sich an den Wiederholungen freuen und festhalten können.

Für die anderen Kinder gibt es jetzt ein gemeinsames Mittagessen, das vollwertig und vegetarisch von einer lieben Köchin im Kindergarten zubereitet wird.

Nach dem Mittagessen, gegen 13:15 Uhr,  folgt die nächste Abholzeit, bzw. die Mittagsruhe (ca. 13.15 bis 14.15 Uhr) für die Schlafkinder. Nach dem Aufstehen können die Ersten noch Kleinigkeiten spielen, z. B. die Feinmotorik mit kleinen (besonderen) Bauklötzen am Tisch schulen, was sehr beliebt ist. Um 14.45 Uhr werden wieder Kinder abgeholt.

Die Verbleibenden haben nochmals Zeit zum Spielen, Basteln oder um in den Garten zu gehen. Jetzt ist es wichtig für die Kinder, auch einmal die Aufmerksamkeit eines Erwachsenen für sich alleine zu haben oder etwas Besonderes machen zu dürfen (z. B. ein Bilderbuch anzuschauen, zu kreiseln, etwas zu basteln oder zu spielen, was es vormittags nicht gibt), so wie das die Kinder zu Hause bei den Eltern auch machen. Deshalb ist es schön, wenn am Nachmittag weniger Kinder da sind, damit die Erzieherinnen diesen Bedürfnissen gerecht werden können. Um 16.30 Uhr werden die letzten Kinder abgeholt.